16. Juli 2023

Das Gefühl nicht beachtet zu werden


Kennen Sie die Geschichte vom verlorenen Schaf? Ein Hirte hat 100 Schafe, und 1 geht verloren. Er lässt die anderen 99 stehen, wo sie sind, um das eine zu suchen. Als er es gefunden hat, gibt es ein Freudenfest. (Lk 15,1-6) Diese Geschichte erzählte Jesus um zu verdeutlichen, dass bei Gott jeder und jede Einzelne wichtig ist.

Eine schöne Geschichte ist das – jedenfalls, wenn ich mich mit dem Schaf identifiziere, das dem Hirten so sehr wichtig ist. Aber kürzlich fiel mir auf: meistens bin ich selbst in der anderen Position. Ich bin nicht die, der man nachgehen muss, sondern eher eine von den 99 anderen. Eigentlich könnte ich darüber glücklich sein, dass ich nicht „verloren“ bin, also einsam oder krank oder sehr traurig oder schlecht drauf oder übel dran oder übel drauf oder … Darüber bin ich auch glücklich. Außer – außer, wenn ein „Hirte“ mich stehen lässt, um einem anderen „Schaf“ nachzugehen.

Ich werde traurig oder ärgerlich, wenn jemand, den ich kenne, mir kaum Beachtung schenkt und sich stattdessen intensiv um jemand anderen kümmert.

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf will mich daran erinnern, dass das gute Gründe haben könnte. Dass ich stehen gelassen werde, bedeutet gar nicht unbedingt, dass ich „dem Hirten“ nicht wichtig bin. Es bedeutet vor allem, dass er mir eine Menge zutraut, nämlich dass ich durchaus auch mal eine Weile ohne ihn klarkomme. Man muss mich nicht ständig „betüddeln“, denn ich habe 98 andere Schafe um mich herum – eine ganze Reihe stabile Kontakte – und ich stehe auf einem sicheren Weideplatz – mir geht es zur Zeit gut. Auch braucht man nicht zu befürchten, dass ich gerade jetzt verloren gehe – ich habe mein Leben einigermaßen im Griff. Wie wunderbar!

Daran will ich mich erinnern, wenn ich mich das nächste mal zu wenig beachtet fühle.

Natürlich gibt es auch Menschen, die mir wirlich nicht den Respekt erweisen, den ich verdient hätte. Aber nicht-Beachtung kann auch ganz andere Gründe haben. Im Zweifelsfall ist es immer gut, wenn ich meine Enttäuschung anspreche. Im Gespräch klärt sich manches. Der Grund könnte sein, dass einfach ein anderes „Schäfchen“ gerade mehr Aufmerksamkeit brauchte als ich.

 

Jahreslosung für 2023:
Du bist ein Gott, der mich sieht. (1. Mose 16,13)

Losung für Samstag, den 15. Juli:
Gott hat mein Elend und meine Mühe angesehen. (1. Mose 31,42)

aus Psalm 139:
Herr, du erforschest mich und kennest mich.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.
Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.





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